Rotmilan: © Tino Neitz - Fotolia.com, Schwarzstorch: © Olaf Kloß - Fotolia.com
(Wiesbaden, 7. Dezember 2015) Die Zahl der Windkraftanlagen hat sich seit Beginn des Jahrhunderts in Deutschland annähernd verdreifacht. Zugleich verbessern sich die Lebensbedingungen geschützter Vögel. Insbesondere Uhu und Schwarzstorch haben sich deutlich vermehrt; die Rotmilanpopulation ist zumindest stabil. Von der Roten Liste der bedrohten Brutvögel Deutschlands, mitsamt der Vorwarnliste, sind alle drei Arten mittlerweile gestrichen. Trotzdem erhöhen Ministerien und Behörden die Naturschutzauflagen für Windparks immer weiter und gefährden damit den für den Klimaschutz notwendigen Erfolg der Energiewende.
Die Umweltwissenschaftlerin Kirstin Ulrichs, Fachfrau für Arten- und Naturschutz bei ABO Wind, hat die ihr vorliegenden Untersuchungen und Bestandserhebungen zu den drei geschützten Vogelarten systematisch ausgewertet. Besonders erfreulich entwickelt sich der Bestand der größten europäischen Eule, des Uhus, wie die Ergebnisse zeigen. Im Jahr 2000 brüteten rund 700 Paare in Deutschland (Boschert, 2005). Bei der jüngsten Bestandserhebung 2009 waren es mehr als dreimal so viele, nämlich geschätzte 2.300 Paare (Sudfeldt et al., 2013; Gedeon et al., 2014). Während sich die Uhupopulation verdreifachte, wurde die Windkraft in Deutschland massiv ausgebaut. Drehten sich im Jahr 2000 die Rotoren von etwa 9.300 Anlagen, waren es 2014 bereits rund 25.000 Anlagen (WindGuard GmbH in BWE, 2015).
Noch vor wenigen Jahrzehnten war es um den Uhu sehr viel schlechter bestellt. Bis weit ins 20. Jahrhundert wurde er systematisch verfolgt. Die Gründe dafür waren vielfältig: Wegen seiner nächtlichen Aktivitäten und des markanten Rufs galt der Vogel als Unheilbringer. Neben dem Aberglauben führte eine angebliche Konkurrenz um Niederwild zu Schussprämien. Zudem dienten an einem Pfahl befestigte Junguhus Jägern als Lockmittel für Greifvögel, Raben und Krähen. Sobald diese versuchten, den Uhu durch Sturzflüge oder Angriffe zu vertreiben, schossen Jäger sie aus einem Versteck ab (u.a. Peitsch und Hormann, 2012, Gedeon et al., 2014). Dank intensiver Bemühungen um Schutz und Wiederansiedlung erholt sich die Population seit Mitte der 1980er Jahre. Die kontinuierlich wachsende Zahl der Windkraftanlagen ändert an diesem positiven Trend nichts.
Auch der Bestand des Schwarzstorchs wächst parallel zur fortschreitenden Energiewende. Obwohl der Vogel als besonders scheu gilt, haben sich einige Exemplare sogar in der Nachbarschaft von Windkraftanlagen angesiedelt. So hat im rheinland-pfälzischen Westerwald während des Baus eines Windparks ein Pärchen in 900 Metern Entfernung einen Nistplatz errichtet und während des Aufbaus der Anlagen einen Jungvogel aufgezogen. Im Jahr darauf − der Windpark war mittlerweile in Betrieb − bauten die Vögel den Nistplatz noch aus und zogen drei weitere Jungvögel auf (Höchster Kreisblatt, 2015).
Die Bestandsentwicklung zeigt, dass die Schwarzstörche im Westerwald keine Ausnahme darstellen und der Vogel sich parallel zum Windkraftausbau rasant vermehrt. Im Jahr 2000 nisteten hierzulande rund 370 Brutpaare (Janssen, Hormann und Rhode, 2004). Die Zahl der Windkraftanlagen hat sich in den folgenden neun Jahren mehr als verdoppelt – und die Schwarzstorchpopulation entwickelte sich ähnlich: Bei der jüngsten Erhebung im Jahr 2009 ermittelten Fachleute einen Höchststand von rund 700 Brutpaaren (Gedeon et al., 2014; Sudfeldt et al., 2013). Früher erging es dem Schwarzstorch in Deutschland deutlich schlechter. Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts brachten Abschuss, Aushorstung und Gelegediebstahl den Vogel an den Rand des Aussterbens (Janssen, Hormann und Rohde, 2004). Mitte des 20. Jahrhunderts nahm der Bestand in Mitteleuropa allmählich wieder zu. Insbesondere seit Ende der 1980er Jahre wächst die Population in Deutschland massiv (Janssen, Hormann und Rohde, 2004; Sudfeldt et al., 2007). Diese positive Entwicklung verläuft parallel zum Ausbau der Windkraft und dauert bis heute an.
Auch die Bestände des als besonders windkraftsensibel geltenden Rotmilans sind nach Expertenangaben seit Ende der 1990er Jahre stabil (Aebischer, 2014; Gelpke und Hormann, 2010). In den vergangenen Jahren zeichnet sich sogar eine positive Tendenz ab. 2013 verbrachten rund 13.000 Brutpaare den Sommer in Deutschland (Mebs und Schmidt, 2014, Grüneberg, 2014). Vor 15 Jahren, bevor die Energiewende und damit der Ausbau der Windkraft Fahrt aufnahmen, brüteten dort etwa zehn Prozent weniger Rotmilane, nämlich rund 11.000 Paare (DDA, 2003; Falke 01/2000 in Wolf, 2015). In den Jahrzehnten davor waren die Bestandszahlen zum Teil viel besorgniserregender. Die massive Greifvogelbejagung erreichte im 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts einen Höhepunkt. Gebietsweise galt der Rotmilan als ausgerottet (Ortlieb, 1989). Weil der Rotmilan langsam fliegt und wenig Scheu vor Siedlungen zeigt, ist er ein leichtes Jagdopfer (Aebischer, 2009a). Nachdem Artenschutzmaßnahmen eingeführt wurden und die Greifvogeljagd ebenso wie einige besonders schädliche Biozide verboten wurden, erholte sich der Bestand in den 1970er und 1980er Jahren. Doch gravierende landwirtschaftliche Veränderungen nach der Wiedervereinigung dezimierten die Bestände erneut − vor allem im Osten Deutschlands. Mit starkem Pestizideinsatz bewirtschaftete Monokulturen lösten die zuvor für das Vieh angebauten Feldfutterpflanzen ab. Felder mit Raps und Wintergetreide erreichen bereits im Frühjahr ein hohes Wuchsstadium, sodass das Nahrungsangebot schrumpft. Auch die ökologisch notwendige Schließung der einst zahlreichen offenen Müllhalden war aus der Perspektive des Rotmilans kein Fortschritt.
Zwar ist unbestritten, dass Kollisionen mit Windkraftanlagen zu den Lebensrisiken gehören, denen Rotmilane ausgesetzt sind. Allerdings fällt dieses Risiko für die Art insgesamt nicht ins Gewicht. Auch eine umfangreiche Studie des Michael-Otto-Instituts des NABU kommt zu dem Ergebnis, dass "kein statistisch signifikanter Nachweis von erheblichen negativen Auswirkungen der Windkraftnutzung auf die Bestände von Brutvögeln erbracht werden" kann (Stand 2006; Hötker, Thomsen und Köster, 2005). Nahrungsmangel durch landwirtschaftliche Intensivierung, menschliche Verfolgung durch Vergiftung und Abschuss sowie der Straßenverkehr zählen dagegen zu den bedeutenden Todesursachen.
Die erfreulichen Entwicklungen der Bestände des Uhus, des Schwarzstorchs und des Rotmilans fanden auch in der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands Berücksichtigung: Keine der Arten ist in Deutschland noch als gefährdet gelistet (Südbeck et al., 2007).
"Die Bestandsentwicklungen der drei Arten zeigen, dass sich die Vögel parallel zum Windkraftausbau gut entwickeln. Windkraft und Vogelschutz sind bei sorgfältiger Planung miteinander vereinbar und schließen sich keineswegs aus", resümiert Kirstin Ulrichs ihre Recherche.
Obwohl sich der Ausbau der Windkraft nicht erkennbar negativ auf die Entwicklung der Populationen von Uhu, Schwarzstorch und Rotmilan auswirkt, steigern die Ministerien und Behörden die Schutzauflagen, Untersuchungsumfänge sowie die Anzahl der zu untersuchenden Arten immer weiter. Diese Auflagen erhöhen zum einen massiv die Kosten für Planung, Bau und Betrieb der Windkraftanlagen und damit letztlich den Strompreis. Zum anderen bedeuten sie für zahlreiche Windkraftprojekte das Aus und gefährden damit den Erfolg der Energiewende. Notwendig ist eine Überprüfung der Artenschutzkriterien sowie der Bewertung von Auswirkungen und Gefährdungen, um die Anforderungen auf ein sachlich begründetes Maß zu bringen. Dabei dürfen weder die Entwicklungen der Bestände noch die tatsächlich populationsbeeinträchtigenden Todesursachen (Verhungern durch landwirtschaftliche Intensivierung, Jagd, Verkehr etc.) außen vor gelassen werden. Ein umfassend verstandener Artenschutz hat ein elementares Interesse an der verstärkten Nutzung der Windenergie und einer überfälligen Energiewende. Die immensen Auswirkungen des Klimawandels spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zur Windkraftnutzung zerstört der Klimawandel Lebensräume und gefährdet viele Tier- und Pflanzenarten.
(Quellen für Rotmilanbestandsangaben: Für 2000: DDA, 2003; Falke 01/2000 in Wolf, 2015 - Für 2004: LUBW, 2004; Aebischer, 2009b – Für 2005: Südbeck et al., 2007 – Für 2007: Mammen, 2009 – Für 2008: Knott, Newbery und Barov, 2009; Mammen, 2010 - Für 2009: Falke 02/2009 in: Wolf, 2015; Sudfeldt et al., 2013; Gedeon et al., 2014 – Für 2011: Falke-Sonderheft Greifvögel, 2011 und Falke 03/2011 in: Wolf, 2015 - Für 2012: Aebischer, 2014; Mebs, 2012 in: Wolf, 2015 - Für 2013: Mebs und Schmidt, 2014; Grüneberg, 2014;
Quellen für Uhubestandsangaben: Für 2000-2003: Boschert, 2005 – Für 2004: Mebs, 2005 – Für 2005: Südbeck et al., 2007 – Für 2007: Mebs und Scherzinger, 2008; VSW 2012 in: Peitsch und Hormann, 2012 – Für 2009: Sudfeldt et al., 2013; Gedeon et al., 2014;
Quellen für Schwarzstorchbestandsangaben: Für 2000 und 2002: Janssen, Hormann und Rohde, 2004 – Für 2001: Dornbusch, 2006; Janssen, Hormann und Rohde, 2004; Dornbusch in: Gedeon, Mitschke und Sudfeldt, 2004 – Für 2003: Gedeon, Mitschke und Sudfeldt, 2004; LUBW, 2004; Boschert, 2005 – Für 2004: Dornbusch, 2006; Tamm und Werner, 2004 – Für 2005: Sudfeldt et al., 2007 und 2009; Südbeck et al., 2008 – Für 2008: Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinlandpfalz und Saarland, 2012 – Für 2009: Gedeon et al., 2014; Sudfeldt et al., 2013).
Alexander Koffka
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